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Fussmarsch durch die Mongolei

Die Straße wird immer schlechter und auch der Schnee macht das Manövrieren des Fahrzeuges nicht einfacher. Der Fahrer des Wagens steuert mit Einsatz seines ganzen Körpers das Auto über die holprige Straße. Neben der Straße häufen sich die von der Fahrbahn abgekommenen Fahrzeuge, auch unser Auto schlittert manchmal gefährlich nahe an den Rand der Straße. Es ist der fünfte Tag im Herzen der Mongolei, zuvor bin ich alleine von Moskau über das sibirische Altaigebirge und entlang des Baikalsees bis in die im Zentrum des Steppenstaates liegende Hauptstadt Ulaan Bataar gereist.


Als die Reise mit dem als Geländewagen adaptierten PKW, der für diese Funktion allerdings gänzlich ungeeignet ist, zu Ende geht, stehe ich auf derselben Erde, von wo aus mehrere Jahrhunderte zuvor die Geschicke des mongolische Weltreichs unter Dschingis Khan gelenkt wurden - Harhorin, dem früheren Karakorum. Als die Sonne mit ihrem goldenen Schein unter dem hügeligen Horizont der Stadt verschwindet, steige ich auf eine der kahlen Erhebungen, um dort mein Lager aufzuschlagen. Ein paar neugierige Kinder folgen mir und erzählen mir ihre Geschichten in einer Sprache, von der ich kein einziges Wort verstehe. Als ich in meinem Zelt am Rücken des grün-braunen Hügels liege, fegt der stürmische Wind der Steppe über die dünne Haut meines kleinen Heims. Ein Gefühl aus abenteuerlicher Euphorie und ungewisser Angst macht sich in mir breit. Am nächsten Tag werde ich versuchen, einem der Hirten eines seiner robusten, kleine und doch so eleganten Pferde abzukaufen.

Als es am Morgen die Sonne schafft, mein Zelt soweit aufzuheizen, dass ich es wage, aus dem angenehm warmen Schlafsack zu kriechen, ist der Tag bei den Menschen und Tieren rund um mich schon weit fortgeschritten. Die Herden der wie meditierende Mönche wirkenden Hirten grasen schon überall auf den leuchtend grünen Wiesen am Fuße des Hügels. Nicht weit von mir hat sich ein Kalb verirrt und steht mit ratlosem Blick in der Nähe eines Obos, eines Steinhaufens, der beim dreimaligen Umrunden einen Reisenden vor Gefahren beschützen soll. Während ich mein Frühstück koche, beobachte ich einen Jungen, der gerade eine Herde jener klein gewachsenen mongolischen Pferde hütet, welche seit Jahrhunderten mit der Kultur der Mongolen eng verbunden sind. Die späteren, mit heftigem Gestikulieren unterstützten Versuche, dem Jungen eines seiner prächtigen Reittiere abzukaufen, scheitern nicht zuletzt an den Schwierigkeiten der Verständigung und so beschließe ich den weiteren Weg auf den mir eigenen Füßen zu bestreiten. Früh am nächsten Morgen breche ich auf, um entlang des Orchon Flusses in Richtung Süden, entgegen der nördlichen Ausläufer der Wüste Gobi zu gehen. Es folgt eine einwöchige Reise entlang des am Beginn noch so malerischen Flüsschen mit dem schroff klingenden Namen Orchon. Während die unter dem wachsamen Schutz der Hirten stehenden Ziegen- und Rinderherden rarer werden, sind immer mehr Wildtiere in dem vom Wasser des Orchon eingeschnittenen Tal zu erblicken. Zahlreiche Wasservögel besetzen die Ufer und Schotterbänke des schmalen Flusses und im gelben Sand unter meinen Füßen finden sich zahlreiche Löcher, deren Architekten kleine, flink herumspringende Ziesel sind. Als ich in einiger Entfernung zwei gewaltige Körper von an einem Kadaver fressenden Adlern sehe, schlägt mein Entdeckerherz hoch.

Noch am selben Tag überrascht mich ein eisiger Schneeschauer, der wie aus dem nichts auftaucht und eben so schnell wieder verschwindet. Doch seit dem Schneeschauer klettern die Temperaturen stetig nach oben und bald erreicht die Lufttemperaturen über 36°C bei nahezu unerträglicher Trockenheit. Mein Lager schlage ich meist geschützt hinter ein paar Felsen auf und mit ein bisschen Holz und den gesammelten trockenen Kuhfladen lässt sich an den Abenden ein kleines Feuer entzünden, um Tee und Suppe zu kochen.

In den folgenden Tagen dominiert die Sonne mehr und mehr den Himmel über der Steppe und langsam geht mein Wasservorrat zu Ende - als ich in einiger Entfernung ein kleines Dorf ausmachen kann.

Mit frisch aufgefüllten Vorräten mache ich mich weiter auf den Weg. Die atemberaubende Schönheit der Steppenlandschaft blendet mich so sehr, dass ich lange Zeit nicht bemerke, dass ich vom richtigen Weg abgekommen bin. Ich ändere meinen Plan und beschließe in ein nahe gelegenes Dorf zu wandern, denn die frisch aufgefüllten Wasserreserven sind bald verbraucht. Während sich am Himmel abermals bedrohlich die Wolken auftürmen, schleppe ich mich mit letzter Kraft und ohne einen Tropfen Wasser in das vermeintlich nahe gelegene Dorf.

Bald geht es von dort weiter über Ulaan Bataar nach Dalanzadgad, in die Wüste Gobi und anschließend bis nach China, wo ich mit meinem neu erstandenen Motorrad von Peking bis ins Paris des Ostens nach Shanghai fahre, wo meine Reise endet.

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